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Ein faszinierender Schrankenposten zu seiner "besten Zeit"

Bei den Bewohnern von Oberboihingen waren die Bahnübergänge (BÜe) - zwei vom Posten handbediente (km 9,5 und 9,3) sowie einer vom Stellwerk Nürtingen fernbedienter (km 9,8) - leider nie so recht beliebt, da man vor allem die "langen Schließzeiten" wahrgenommen hatte und primär als Straßenverkehrsteilnehmer dachte. Allerdings sorgte der Posten und seine gesamte Technik einschließlich der Schrankenanlagen für großes Interesse bei Eisenbahnfreunden wie mir, denn sowohl technisch wie auch von den Betriebsabläufen war hier einiges geboten.

Neben den zwei BÜen mit ihren insgesamt vier Schranken vom Typ "Einheitsbauart" - sogenannte "Reichsbahnschranke" gemäß ihrem Entwicklungszeitraum in den ersten 1930er-Jahren und dem damalgen Namen der Staatsbahn - gehörte dazu eine beidseitig angetriebene, symmetrisch schließende Absperrung zwischen den beiden Hauptgleisen, die man als "Schiebeschranke" bezeichnen könnte. Allerdings weiß ich nicht, ob diese Bezeichnung korrekt ist - in jedem Fall war es eine Absperrung.

Angetrieben wurden alle drei "Schließeinheiten" von jeweils einer Kurbelwinde, ebenfalls als "Einheitswinde" bezeichnet, da zeit- und konzeptgleich mit der Einheitsschranke entwickelt. Interessanterweise waren die Kurbeln in zwei Varianten vorhanden: zwei Winden mit starr gekuppelten Kurbeln für die beiden BÜe, und eine Winde mit per Handfalle einkuppelbarer Kurbel für die Schiebe-Absperrung, welche im Ruhezustand (lose Handfalle) "leerlief". Interessantes technisches Detail dieser Handfalle: die "unsichtbare" Kraftübertragung durch aneinandergereihte Stahlkugeln im Inneren des Kurbelrohrs.

Ja, leider bezieht sich das meiste auf die Vergangenheit - der Haltepunkt Oberboihingen ist durch Umbau mittlerweile kein Schrankenposten mehr, und trotz häufiger populärer Bezeichnung als "denkmalgeschützte" Anlage sind aktuell alle Schranken verschwunden - es soll lediglich eine einzige "Dekoschranke" wieder aufgestellt werden, wenn die Bauarbeiten demnächst (im Laufe des Jahres 2013) abgeschlossen werden. Gemäß des "üblichen Denkens" wird man wohl davon ausgehen müssen, daß die Schranke funktionslos dastehen werden wird, ebenso die Winden, ssofern sie aktuell noch vorhanden sind - den aktuellen Stand der Dinge kenne ich nicht, da ich schon länger nicht mehr dort war. Es riecht aber erstmal verdächtig nach "Fassadismus".

Aber hier möchte ich den Vollbetriebs-Zustand zu noch besten Zeiten im Jahr 2005 zeigen - das war sogar noch vor der Einführung von GSM-R auf der KBS 760, so daß alle klassischen Fernsprecher und Zugbahnfunk-Anlagen noch in Betrieb waren. So klingelten z.B. daher immer schön alle Apparate gleichzeitig bei einer Zugvormeldung - der am Wärter-Arbeitsplatz, der außen am "Bahnhofsgebäude" sowie auch derjenige im "Betonhäuschen" mit der LIchtzeichen-Steuerung am BÜ km 9,3.

Die Entstehung einiger Bilder sind einer sehr netten Schrankenwärterin zu verdanken, die mir auch mündlich die Zustimmung zu einer Veröffentlichung im Internet gegeben hatte - zumindest was ihre Person betrifft.

Das sollen jetzt aber genug einleitende Worte sein - weitere Erläuterungen einzelner Details finden sich in den Beschreibungen der folgenden Fotos. Sollte ich wichtige Erläuterungen vergessen haben oder ich in einer ruhigen Minute mehr Zeit für "Erzählungen" zu diesem Schrankenposten haben, werde ich diese jeweils in separaten Textblöcken ergänzen, damit klar ist, was neu ist.

Ebenso werden garantiert noch weitere Bilder rund um den irrrtümlich auch als "Bahnhof" bezeichneten Haltepunkt Oberboihingen im Fundus auftauchen, welche ich dann je nach Gelegenheit ergänzen werde.

Technik der BÜ-Anlagen und des Postens

Schrankenbaum in Ruhestellung am BÜ 9,5 - dieser BÜ hatte aufgrund der direkten Einsehbarkeit durch den Wärter keine zusätzliche Lichtzeichenanlage für den Straßenverkehr, im Gegensatz zum BÜ 9,3 weiter nördlich
Details des Seilzugantriebs der Schranke des BÜ 9,5 auf der "Hausbahnsteigseite" - seitlich am Antriebsgehäuse der Schranke ist ein Rückmeldekontakt für die Sicherungstechnik zu erkennen, um den Geschlossen-Zustand der Schranke zu erkennen
Ein für die Einheitsschranke typisches Beton-Gegengewicht, im Gegensatz zu Stahlgewichten bei elektrisch angetriebenen Schranken
Eine typische Szene: nach kurzem "seriellen Ankurbeln" jedes BÜ für sich wurden beide gerne gleichzeitig gekurbelt - beim Öffnen in der Regel sowieso, um Zeit zu sparen. Im Trägerbereich der Winden sind Drahtseile zu erkennen - hiermit wurden nachts während der ca. 4-stündigen Betriebsruhe die Schranken in geöffneter Position per Schloß gesichert, um "Unfug" und Gefährungen zu verhindern. Das gleichzeitige Kurbeln erforderte eine gute Koordination, da die beiden Kurbelarme innerhalb ihrer Radien überlappten
Mit der Einführung der Relaisstellwerkstechnik (1975 in Nürtingen in Betrieb genommen) sollten wohl auch die manuellen Elemente technisch (besser) gesichert werden - hierzu wurden diese "elektromagnetischen Windensperren" von Scheidt & Bachmann nachgerüstet, die zusammen mit Lagekontakten an den Schranken (Festlegungs-Vorbedingung) sowie Gleiskontakten (Vorbedingung zur Aufhebung der Festlegung) eine weitgehend lückenlose Abhängigkeit mit der Stellwerkstechnik realisierten
Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der Schrankenwärterin: das sorgfältige Notieren der Zugnummern im Zugmeldebuch gemäß dem fernmündlichen Zugmeldeverfahren, das es bis heute immer noch gibt
Angaben des Zugmeldebuchs. Es wird die Ab-/Durchfahrtzeit von der den Zug abmeldenden (gehend-meldenden) Dienststelle notiert und als Referenz herangezogen
Der Wärter-Arbeitsplatz im Gebäude des Haltepunkts Oberboihingen - auf den zweiten Blick mit vielen interessanten Details wie etwa einem Muster-Ansagetext handschriftlich auf dem Durchsagegerät, Schichtplan und Fernsprecherliste mit Rufzeichen (in Morse-Code) an der Wand sowie der Liste der gemeldeten Züge auf dem Tisch
Das Bedienpult für alles, was über das Kurbeln hinausging - bei normalem Ablauf wurde vom Stellwerk Nürtingen eine Fahrstraßenanforderung (bzw. zwei, eine pro Richtungsgleis) gegeben, was den Wecker im Mini-Stelltisch läuten ließ. Hiernach wurde mit der Gruppentaste LT (Lichtsignaltaste) die Lichtzeichenanlage am BÜ 9,3 aktiviert, dann beide BÜ nach optischer Freizustandsprüfung zu-gekurbelt, was bei Erfolg über den Kontakt an den Schrankenlagern zurückgemeldet wurde. Nun konnte mit der Gruppentaste BÜFT (Bahnübergangs-Festlegetaste) die Schließung gegenüber der Stellwerkstechnik bestätigt werden, was die jeweilige Windensperre aktivierte und nach Festlegung beider BÜe den Wecker abschaltete und die Freigabe der Deckungssignale erlaubte. Weitere "interessante" Tasten sind die GefT (Gefahrentaste), welche zur sofortigen Sperrung des Deckungsbereiches mit Hp0 im Falle von z.B. plötzlich erkannten Personen oder Gegenständen im Gleisbereich genutzt werden konnte, wenn die Festlegung schon erfolgt war. Mit der dokumentationspflichtigen WuT (Weckerunterbrechungstaste) konnte der Stelltisch-Wecker abgestellt werden, wenn aufgrund einer Fehlfunktion oder einem Abbruch der Schließung die reguläre Sequenz nicht eingehalten werden konnte - festgehalten wurde das auf dem WuTZ, was nichts "schweinisches" bedeutet, sondern Weckerunterbrechungstastenzähler heißt. Für den Fall einer nicht funktionsfähigen automatischen Auflösung der Festlegung durch die Gleiskontakte konnte mit der HAT (Hilfsauflösungstaste), deren Betätigung mit dem HAZ (Hilfsauflösungszähler) dokumentiert wurde, die Bahnübergänge wieder für den Straßenverkehr freigeben.
Die Schiebe-Absperrung zwischen den Gleisen in geschlossenem Zustand. Sie wurde grundsätzlich dann geschlossen, wenn Zugfahrten auf beiden Gleisen gemeldet waren und eine davon in Oberboihingen hielt - anderenfalls wurde der gesamte Haltepunkt für Fahrgäste während der BÜ-Schließzeit gesperrt, und diese "Schiebeschranke" blieb offen
Das für die "Schiebeschranke" typische Szenario: haltender Zug auf dem einen, durchfahrender Zug auf dem anderen Gleis
Ein Teil der typischen Ausstattung jeder besetzten Betriebsstelle der DB: Verlangsamungskelle, Signalhorn, Signallampe - und Regenschirm!
Auch die Sh3-Fahne gehört zur Ausstattung und kann am Tag zur Signalisierung genutzt werden
Die Beleuchtung für den Bahnübergang wurde jeden Tag manuell vom Schrankenwärter ein- und ausgeschaltet. Desweiteren ist der für Vollschranken typische Behang als "Unterkriechschutz" im eingeklappten Zustand zu erkennen
Die Schiebe-Absperrung war komplett im jeweiligen hinteren Antriebsbereich gelagert und geführt, so daß im Durchgangsbereich keine Profilschiene erforderlich war
Eine Umlenkeinheit mit zugehörigen Seilzügen, um die gegenläufige Bewegung der beiden Absperrungshälften zu erreichen
Die Seilzüge wurden unterhalb des Durchgangsbereichs in einer Art "Tunnel" zur anderen Seite geführt; der Kasten enthält das Antriebszahnrad, das die Absperrung per Zahnstange antreibt
Detailansicht der dem Hausbahnsteig gegenüberliegenden Schranke - auch hier ist deutlich der Endlagenkontakt zu erkennen, darüberhinaus die Seilzugführung durch einen Schachtdeckel, offensichtlich zur Verbesserung der Wartbarkeit. Daneben ist das Drehkreuz zu erkennen, das eventuell im BÜ-Bereich verbliebenen Personen ein Verlassen, aber kein Betreten dieses Bereichs erlaubt
Die drei Winden aus einer anderen Perspektive - hier sind sehr gut die Bauartunterschiede zwischen der linken und den beiden rechten Winden zu erkennen
Wie auf diesem Typenschild zu erkennen, wurden die "el-magn. Windensperre" von Scheidt & Bachmann im Jahr 1976 hergestellt und recht wahrscheinlich auch im selben Jahr installiert, was zur Zeit kurz nach Inbetriebnahme des Relaisstellwerks in Nürtingen passen dürfte

Kommentare, Anregungen, Ergänzungen?

Frank, 24.07.2014 11:14:
Hallo,

sehr schöner Bericht und es wäre toll,wenn Du die Schrankenposten-Seite weiterführen könntest.

mfg
Frank
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Infoseite nur über Schrankenposten

Vielleicht hat der eine oder andere noch die Seite "schrankenposten.de" in Erinnerung - hier wurde bis vor einiger Zeit einiges an Information rund um Schrankenposten und ihre Bahnübergänge in ganz Deutschland angeboten. Leider möchte der ursprüngliche Inhaber die Seite aufgrund des Aufwands nicht weiter betreiben bzw. pflegen, was dort aktuell so auch zu lesen ist.

Bereits vor einiger Zeit habe ich Kontakt mit ihm aufgenommen, und wir waren uns grundsätzlich einig, daß ich die Seite übernehmen könnte, da es sehr schade wäre, wenn sie weiter in diesem "Dornröschenschlaf" bleiben würde.

Sobald sich in der Hinsicht etwas Neues ergibt, werde ich darauf hinweisen und dann ggf. diese Bilder dort mit eingliedern. Bis dahin möchte ich aber schonmal den Posten Oberboihingen mit all seinen interessanten Details hier präsentieren!